SCHMELZ
CHRISTIAN ZEHNDER QUARTETT

© Photo Heiner Grieder

Michael Pfeuti / Barbara Schirmer / Thomas Weiss 

Aus dem Schmelz fliesst der Quell vom Alpenfirn durch die Talschaften in den urban erhitzten Strom der Zeit. Roter Wüstensand legt sich vom Südwind getragen über die Gletscherzungen und ich glaube schon eine Karawane über den Grat ziehen zu sehen. Im Gotthardhospiz entlockt ein verirrter Durchreisender Tangoklänge aus seinem Bandoneon und der Gastwirt erzählt mir dabei von seiner Heirat in fernen mesopotamischen Landen.

Am Gipfelkreuz des Piz Bernina übergibt ein Franzose Magnolienblätter der lichten Himmelssphäre, verabschiedet sich so weinend von einer verlorenen Liebe. Am Wegesrand im steilen Anstieg keucht mir ein rauchender Melancholiker vom Stillstand seiner Beine, seinem Leben, und aus dem Transistorradio des Hüttenwarts in der Berghütte scheppert kubanischer Lebenspuls zu den Juchzern letzter Kuhtreiber einer nah gelegenen Alp... - Christian Zehnder 

Schmelz ist Christian Zehnders wohl eklektischste Arbeit und zugleich Abschluss der Trilogie Kraah, Gländ, Schmelz.

Mitwirkende 

Christian Zehnder Gesang, Jodeln, Obertongesang, Laudola, Bandoneon
Barbara Schirmer Hackbrett, Swiss Cimbalon
Thomas Weiss Percussion, Drums
Michael Pfeuti Kontrabass, Bassetto   

hackbrett.com 
twicepercussion.ch


CD Schmelz iTunes



PRESSE 

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Norbert Krampf, 18.08.2011.

Traditionen entstaubt und auf den Kopf gestellt.
Das Christian Zehnder Quartett fasziniert bei „Weltmusik im Palmengarten“.

In einer Zeit des „anything goes“ ist es nicht leicht, eine eigene, bislang ungehörte Musik zu erfinden. Klänge aus allen Teilen der Welt scheinen vertraut, vor allem, wenn sie in recht oberflächlichen Fusionen zitiert werden. Christian Zehnder und seinen Musikern gelingt hingegen das Kunststück, einen wirklich neuen, singulären Stil zu kreieren, der zunächst verwirren mag, alsbald aber unwiderstehlich fesselt. Dabei sind es im Grunde traditionelle Mittel, nämlich Gesang und akustische Instrumente, die von den Schweizern allerdings in unerwartete Zusammenhänge gestellt und mit subversivem Witz aufgeladen werden. Drei Individualisten an Hackbrett, Perkussion und Kontrabass tragen eine Stimme, die Kapriolen schlägt wie keine andere.

Pfeifende und schwirrende Obertöne kennt man hierzulande vor allem von Sängern aus dem zentralasiatischen Tuva. Aber auch in der Schweiz gebe es, sagt Christian Zehnder, eine unabhängige, eigenständige Entwicklung des Obertongesangs. In Zehnders Version sind die enigmatischen Töne nicht weit von Jodlern entfernt, und diese lassen sich wiederum mit mittelalterlich-pastoralen Melodien kreuzen. Die dynamischen Lautmalerien des Ausnahmesängers schwingen sich in luftige Höhen, loten aber auch Abgründe aus. Zuweilen grummelt sein Kehlkopfgesang wie ein buddhistischer Mönch, in anderen Stücken nähern sich die Phrasierungen bluesrockiger Expressivität oder hyperventilierendem Sprechgesang.

Was der in Basel lebende Musiker und Theatermacher vermeidet ist akademische Virtuosität. Auch wenn Gestik und Mimik mal aus dem Ruder zu laufen drohen, verliert sich Zehnder nie in seinen Melismen und Abstraktionen. Raffiniert balanciert seine Musik auf dem Grat zwischen ausgeklügelter Komplexität und ekstatischem Kontrollverlust, belohnt Aufmerksamkeit durch überraschende Wendungen und Nuancen.

Es ist mehr als nur lustiges Entertainment, wenn Zehnder zwischen den Songs in skurrilen Moderationen Eigenarten der Schweizer karikiert, die „Einwanderung“ von Bären mit Ausgrenzungsbestrebungen der Nationalisten in Verbindung bringt oder das Schmelzen der Gletscher bedauert. Politisches Denken eint die Band, manifestiert sich in einer unermüdlichen Offenheit für neue musikalische Eindrücke und in einem permanenten Vergnügen, vermeintlich Vertrautes auf den Kopf stellen.

Die Neugier auf noch nicht ausgelotete Fusionen lässt die Hackbrett- „Revolutionärin“ Barbara Schirmer seit vielen Jahren zu Festivals in Südamerika, Iran oder Südkorea reisen, um sich mit internationalen Musikern auszutauschen. Konsequent adaptiert sie „artfremde“ Techniken, spielt das modifizierte Appenzeller Hackbrett beispielsweise mit vier Schlegeln statt der üblichen zwei, und erweitert mit diesem Vibraphonisten-Kniff die harmonischen Möglichkeiten. Subtil arbeitet Schirmer regionale Eigenheiten in ihren fein geknüpften Klöppelteppich ein, ohne dass sie als Zitat erkennbar sind. Im orientalisch angehauchten Stück „Mesopotame“ erinnert das Hackbrett beispielsweise an eine persische Kanun, in anderen Momenten verdichtet es den latenten Groove oder entwickelt filmisch-suggestive Magie.

Einen sehr eigenen Klang kreiert auch Perkussionist und Trommelbauer Thomas Weiss. Einige Becken und eine Snare sind die westlichen Stücke in seinem fein austarierten Set. Weiss' selbst gefertigte Djembe klingt tiefer und weniger knallig als die afrikanischen Originale; außerdem spielt er eine ehemals thailändische Bass- und eine arabische Rahmentrommel, sowie eine Art Mini-Darbukka.

Gängig ist der Kontrabass von Michael Pfeuti, sein Spiel bewegt sich aber unkonventionell im Spannungsfeld von Jazz, klassischer Moderne und Avantgarde. Mit dem Bogen streicht Pfeuti obertonreiche, manchmal fast psychedelisch schwirrende Passagen, die absichtsvoll in zarte Flageoletts kippen können. Ein elegant singender Ton ziert bisweilen tiefe Register, dazwischen streut Pfeuti trocken-knurrige, rhythmische Phrasen. 

”Kammermusikalisch ausgefeilte Arrangements bleiben immer transparent, selbst wenn Christian Zehnder weitere Instrumente beisteuert. Mit dem Bandoneon untermalt er nicht nur die unnachahmliche Tango-Parodie „Melancholie“. Auf einer eigens für ihn gebauten 12-saitigen, brasilianisch inspirierten Laudola spielt Zehnder kantig-rhythmische Akkordfolgen, die auch amerikanischem Funk gut stehen würden. Ebenso wie frühere Projekte und CDs von Christian Zehnder ist das „Global Jodeling“ seines Quartetts von musikalischer Ernsthaftigkeit und hinterlistigem Humor geprägt. Selten gelingt es Musikern so überzeugend, Geist und Gefühl in individualistischen Klangfarben zu vereinen.


Neue Zürcher Zeitung, Markus Ganz, 21.09.2010.

" Faszinieren vermag Christian Zehnder schon lange mit seiner einzigartigen Stimmakrobatik zwischen Jodel, Obertongesang und Kunstgesang. Aber oft hatte die Musik des mit dem Duo Stimmhorn bekannt gewordenen Sängers etwas gestelzt und konzeptlastig gewirkt, etwas gar kontrolliert auch für Lieder, mit denen Christian Zehnder erklärtermassen eine neue alpine Musik anstrebt. Das gutbesuchte Konzert seines neuen Quartetts im «Moods» wurde nun nicht gerade zur «Sonntagsstubete», wie der aus Zürich stammende Musiker zu Beginn augenzwinkernd ankündigte. Aber Christian Zehnder widerlegte am Sonntagabend auch, was er selbst im Stück «Melancholie» mit einigem Schalk sang: «Nein, ich verlier mich nie, in der Melancholie.»

Christian Zehnder stellte live nur selten in den Vordergrund, was seine Musik einzigartig macht: seine stupende Vokaltechnik. Er setzte seine Stimme meist als Teil eines Gruppen-Sounds und erstaunlich spielerisch ein, was ihr die Strenge nahm, dass er sie bis ins letzte Detail zu kontrollieren vermag. Den von Barbara Schirmers Hackbrett geprägten folkloristischen Einstieg ergänzte er zunächst eher atmosphärisch mit kaum wahrnehmbarem Obertongesang, bald glaubte man Kühe maulen zu hören.

Bei den Stücken des neuen Albums «Schmelz», die von Texten in mehreren Sprachen geprägt sind, drehte Christian Zehnder dann zunehmend auf. Er, der mit non verbalem Gesang bekannt wurde, betonte mit lustvoller Theatralik seine Worte, die auf dem Papier oft gespreizt wirken: «Die Berge schweigen, stolz im Dunst, der Tag steht nicht in meiner Gunst, in meinem Kopf nur Föhn, ach, es wär' so schön, fiel' der Regen in mein Leben.» Gerade im vokalen Übertreiben zeigte sich eine amüsante Note, die auf Tonträger nicht so leicht erkennbar ist.

Christian Zehnder verstärkte sie mit beispielloser Stimmdynamik bis zur Komik, machte aber auch nachdenkliche Ansagen wie beim Titelstück «Schmelz», das er als «eine Art Protestsong» bezeichnete. Er habe in Brasilien Schlagzeilen über das Schmelzen der Gletscher in der Schweiz gelesen, aber nichts über das Abholzen des Urwaldes im Amazonasgebiet.

Bei diesem gehetzten Mundarttext steigerte er sich ausufernd, wie man dies von Endo Anaconda kennt, bis zum Freestyle-Ende, das auch den Zuhörern den Atem raubte. Verzaubernd war hingegen das französisch gesungene Stück «Magnolia», das er mit schwirrenden Obertöne richtiggehend abheben liess. «Wat Ju No» zeigte die logische Entwicklung von «Schmelz» aus dem «Kraah»-Projekt heraus. Und zum Schluss gab es tatsächlich noch ein lüpfiges Ende mit «global yodelling», wie Zehnder anmerkte, bevor er das Publikum mit köstlicher Stimmkomik zum Kauf der CD animierte." 



© Photo Heiner Grieder

SCHMELZ
CHRISTIAN ZEHNDER QUARTET

Barbara Schirmer / Michael Pfeuti / Thomas Weiss 

From the firn of glistening alpine slopes, the wellspring flows through the valleys and onwards into the stream of time, heated by the cities. Red dust, carried by the South wind, settles on the glacier tongues, and for an instant I almost believe that I can see a caravan traversing the mountain ridge. In the hospice at the Gotthard pass, a lost traveller coaxes the notes of a tango from his bandoneon, while the innkeeper tells me of his wedding in far-off Mesopotamian lands.

At the summit cross of Piz Bernina, a Frenchman gives up magnolia petals to the radiant heavenly sphere, crying as he takes his farewells from a lost love. By the wayside of a steeply ascending path, a smoking melancholic wheezes to me about the standstill of his legs, his life, and from the transistor radio of the caretaker in a mountain cottage, the lively pulse of Cuban life rattles along to the joyful cries of the last mountain farmers to drive their cows through the Alps... - Christian Zehnder 

Schmelz is probably Christian Zehnder's most eclectic work, and forms the conclusion of the trilogy Kraah, Gländ, Schmelz.

Participants

Christian Zehnder Vocals Yodeling, Overtone singing, Laudola, Bandoneon
Barbara Schirmer Swiss Cimbalom
Thomas Weiss Percussion, Drums
Michael Pfeuti Double Bass, Bassetto 

hackbrett.com
twicepercussion.ch


CD Schmelz iTunes 


PRESS

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Norbert Krampf, 18.08.2011.

Tradition dusted off and turned on its head The Christian Zehnder quartet fascinates at “World music at the Palmengarten”.

In the age of “anything goes” it isn't easy to invent a hitherto unheard style of music of one's own. Sounds from all parts of the world seem familiar, especially if they are quoted in rather superficial fusions. Christian Zehnder and his musicians, on the other hand, live up to the challenge of creating a truly new, singular style which may be confusing at first but soon becomes irresistibly enthralling. The means to the purpose are fundamentally traditional: Voice and acoustic instruments, but placed in unexpected contexts and charged with subversive wit. Three individualists at the cimbalom, drums and double bass carry a voice that cavorts like no other.

Whistling and whirring overtones are associated in these parts mainly with singers from Tuva in Central Asia. But Switzerland, according to Christian Zehnder, also has its own independent and self-sustaining development of overtone singing. In Zehnder's version, the enigmatic sounds are not not dissimilar to yodeling, and that in turn lends itself well to being crossed with medieval, pastoral melodies. The dynamic onomatopoeia of this exception singer swing to lofty heights, but also fathom deep abysses.

His vocals sometimes grumble like a Buddhist monk, while coming closer to the expressiveness that is usually associated with blues or rock, or hyperventilating sprechgesang, on other tracks. What the Basel-based musician and theatre artist avoids, is academic virtuosity. Even if his gestures and facial expression sometimes seem close to spinning out of control, Zehnder never loses himself in his melismas and abstractions. His music is cunningly balanced between sophisticated complexity and ecstatic loss of control, and rewards the listener's attention with surprising twists and nuances.

It is more than just funny entertainment when Zehnder caricatures the particularities of the Swiss as part of his offbeat presentation in between songs, connecting the “immigration” of bears with the ostracising efforts of nationalists, or regretting the melting of the glaciers. Political thinking unites the band, manifesting itself in a tireless openness for new musical expressions and a permanent joy for turning ostensibly familiar things on their heads.

For many years, her curiosity for as of yet unexplored fusions has lead cimbalom- “revolutionary” Barbara Schirmer to travel to festivals in South America, Iran or South Korea in order to compare notes with international musicians. Consequently, she adapts techniques not usually native to her instruments, such as playing a modified appenzell cimbalom with four drumsticks rather than the usual two, expanding the harmonic possibilities with this vibraphonist trick. Schirmer subtly works regional peculiarities into her finely knotted carpet without allowing them to be recognised as quotations. In the vaguely oriental track “Mesopotame” for example, the cimbalom takes on the airs of a Persian qanun, whereas in other moments it condenses the latent groove or develops a suggestive magic of almost film-like nature.

A very unique sounds is also created by percussionist and drum maker Thomas Weiss. Some cymbals and one snare are the western pieces in his finely balanced kit. His self-made djembe sounds deeper and less gaudy than the African originals; furthermore, he plays a formerly Thai bass drum and an Arabic frame drum, as well as a kind of mini-darbukka.

Michael Pfeuti's double bass, on the other hand, is an ordinary one, but his style of playing moves unconventionally between jazz, classical modern and avant-garde. Pfeuti coaxes buzzing, almost psychedelic passages from his instrument that are rich in overtones and sometimes intentionally collapse into tender flageolets. An elegantly singing tone occasionally adorns the deeper registers. The spaces in between are filled in with drily growling rhythmic phrases. 

Well-balanced chamber music arrangements always remain transparent, even if Christian Zehnder contributes further instruments. It is not just the inimitable tango parody “Melancholie” that he accompanies with the bandoneon. On a custom-built twelve-stringed Laudola in Brazilian style, Zehnder plays chiselled rhythmic chord progressions that would also fit well into American funk music. Just like earlier projects and CDs by Christian Zehnder, the “global yodeling” of his quartet is marked by musical seriousness and sneaky humour. It is rare that musicians succeed in uniting spirit and feeling in individualistic timbres this convincingly. 


Neue Zürcher Zeitung, Markus Ganz, 21.09.2010.

"Christian Zehnder's unique vocal acrobatics between yodeling, overtone vocals and artistic singing have long been fascinating. But the music of the singer, who had become well known through his work as part of the duo Stimmhorn, frequently seemed somewhat stilted and concept-heavy, a tad too controlled for songs with which he is explicitly striving for a new alpine music. The well- attended concert of his new quartet at the “Moods” wasn't exactly a run-of-the- mill folk music concert, like he himself announced in a very tongue-in-cheek fashion at the beginning of the show. But Christian Zehnder also refuted what he himself sang, with some waggishness, in the song “Melancholie”: “No, I never lose myself, in melancholy.”

Live, Christian Zehnder rarely gave front stage to that, which makes his music unique: His stupendous vocal technique. He mostly used his voice as part of a group sound and surprisingly playfully, which relieved it of the harshness of his being able to control it right down to the last detail. He initially complemented the folkloric opening, which was marked mainly by Barbara Schirmer's cimbalom, in a rather atmospheric fashion with barely perceptible overtone singing, which soon brought up thoughts of cows vocalizing. During the tracks off the new album “Schmelz”, which contains texts in multiple languages, Christian Zehnder then increasingly cranked up his performance.

He, who had made his name with non-verbal singing, emphasized with theatrical relish his words, which often seem stilted on paper: “The mountains are silent, proud in the haze, the day is not in my favour, my head full of foehn, oh, it would be so beautiful, if the rain fell in my life.”It was precisely these vocal exaggerations that showed an amusing note which isn't as easily perceivable in recordings. Christian Zehnder amplified it with unprecedented vocal dynamism to the point of being comical, but also provided thoughtful commentary, for instance for the titular track “Schmelz”, which he referred to as “a kind of protest song”. In Brazil, he had read headlines about the melting of the glaciers in Switzerland, but nothing about the damage done by logging in the Amazon.

Throughout the hectic Swiss-language lyrics he became increasingly more intent, in a manner reminiscent of Endo Anaconda, right up to the freestyle end, which robbed the audience of their breath. The French-language Track “Magnolia” on the other hand, which positively seemed to take flight with whirring overtones. “Wat Ju No” shows the logical development of “Schmelz” from the “Kraah” project. And in the end, there was indeed a toe-tapping conclusion, with “global yodelling”, as Zehnder remarked before encouraging the audience to buy the CD through hilarious vocal comedy.” 


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